Luftige lustige Bärchen, Erdnussflips, Cornflakes, Pausenriegel, Frühstücksflocken in allen Formen und Farben, Teigwaren, Knäckebrot, Sojatrockenfleisch, Katzennahrung und Hundefutter, alles kommt aus dem Extruder. Die Extrudermaschine schluckt so gut wie alles und wandelt billige Rohstoffe in teure Fertigprodukte um. Aber wer kennt ihn schon, den wunderbaren Zauberer, ohne den viele Lebensmittel gar nicht erst den Weg in die Verkaufsregale gefunden hätten.
Langsam versinkt der Brei aus Weizengrieß im Trichter des Extruders. Darunter, in einer Metallhülse dreht sich eine Spirale aus Stahl. Sie saugt die nahrhafte Masse auf und befördert sie weiter. Es wird immer enger. Gewaltige Scher- und Druckkräfte befördern den Brei gnadenlos weiter. Dabei wird er immer heißer. Am Rohrende wird die Masse durch eine Düse gepresst. Schlagartig verdampft das Wasser, der Brei bläht sich auf. Rotierende Messer schnipseln die luftige Masse in die gewünschte Form. Vitamine, die bei dieser Prozedur auf der Strecke geblieben sind, werden aus feinen Düsen aufgespritzt. Fertig sind die Frühstückskringel.
Geschichte des Extruders
Extrudieren oder Stangenpressen, wie dieser Prozess auch genannt wird, heißt nach dem Wörterbuch: „Ein Produkt durch eine Düse, ein Loch oder einen Schlitz ausdrücken, um damit eine bestimmte Form zu erhalten.“ Die ersten Produkte, die aus einem Extruder kamen, waren nahtlose Bleirohre. Heute macht man die verschiedensten Plastikrohre und -profile damit. Aber auch Ziegelsteine, Kupferdrähte, beschichtete Drähte, Seifen und vieles andere werden durch den Extruder gepresst.
Es ging nicht lange und die Lebensmittelindustrie entdeckte den Extruder für ihre Zwecke. 1869 wurden Fleischstücke durch die Maschine gequetscht und in Wursthüllen gestopft. Der Extruder erinnert in der Tat an die gute alte Wurstmaschine oder den Fleischwolf. Das Extrusionsprinzip ist auch schon lange in der Teigwarenverarbeitung zu finden. Hydraulisch getriebene Kolbenpressen drücken angefeuchteten Grieß durch Lochplatten und formen so Spaghetti, Hörnchen, Spiralen, Sternchen und Buchstaben. Rollenextruder und Kolbenpressen verwandeln auch Zuckermassen in der Süßwarenindustrie zu allen nur denkbaren Formen.
Mit der Einführung des Schneckenextruders in der Teigwarenindustrie Mitte der 30iger Jahre im vorigen Jahrhundert, begann das moderne Zeitalter des Extrusionsverfahrens in der Lebensmitteltechnologie.
Aufbau des Kochextruders
Vereinfacht gesehen lässt sich jeder Extruder in die folgenden Teile gliedern. Zuerst kommt die Einspeisezone, vergleichbar einem Trichter. Hier wird der Rohstoff, sei es Mehl, Grieß, ein Brei, gemahlene Erdnüsse, Maisbrei, Stärke oder eine Zuckermasse eingespeist. Eine Schnecke, manchmal auch zwei gleichlaufende oder entgegenlaufende Schnecken transportieren das Gut weiter.
Anschließend folgt die Umwandlungszone. Hier wird durchmischt, verdichtet, erhitzt, geschmolzen, komprimiert, vernetzt und die Pastizität erhöht. Es finden mechanische und thermische Reaktionen statt. Darum wird hin und wieder vom Extruder auch von einem Bio-Reaktor gesprochen.
Nun kommt das verarbeitete Produkt zur Ausstoßzone. Eine Düse ist die Begrenzung. Die Düse und nachfolgende rotierende Messer bestimmen weit gehend die Produktform. Wenn die erhitzte Masse durch die Düse gedrückt wird, verdampft das Wasser im Produkt schlagartig durch den Druckabfall. Es wird aufgetrieben, erhält eine porige Struktur und ist leicht und luftig. Beim Extrudieren wird im Prinzip die konventionelle Herstellung von Popcorn nachgeahmt. Popcorn pufft bei ca. 9,5 bar und bei einer Temperatur von etwa 175 Grad Celsius.
Das Resultat: Produktvielfalt
Der Extruder schluckt so gut wie alles, ganz gleich ob Abfallprodukte oder wertvolle Rohstoffe. Je nach Verfahren werden trockene Rohstoffe, angefeuchtete oder breiige Massen verarbeitet. Oft genügt die Hitze, die durch die Scherkräfte und den Druck entstehen alleine, um das Gut zu verwandeln. Man spricht dann von der Kaltextrusion. Dabei entstehen Temperaturen von 40 bis 60 Grad Celsius. Es gibt aber auch Verfahren, wo noch zusätzlich Hitze zugeführt werden muss. Der Warmextruder arbeitet mit 70 – 130 Grad und der Heißextruder mit 130 – 250 Grad. Die meisten Kochextruder basieren auf Kombinationen aus Reibungswärme und extern zugeführter Wärme. Der Druck bewegt sich im Bereich bis 200 bar.
Die Produktvielfalt aus dem Extruder ist überwältigend. Viele konventionelle Back- oder Kochvorgänge werden durch den Extruder abgelöst. Heute kommen fast alle Frühstückscerealien aus dem Extruder. Eine neue Generation von Knäckebrot ist entstanden. Es hat eine luftige, leichte, längsfaserige Struktur.
Müllereiabfallprodukte wie Kleie und Schleifmehle werden im Extruder veredelt, bekommen neue Strukturen und werden Backwaren beigemischt. Paniermehle und modifizierte Stärke kommen aus ihm. Viele instantisierte Nahrungsmittel wie etwa Trockensuppen entstehen heute im Extruder. Öl kann man gewinnen. Kaugummi und sogar schon Schokoladen entstehen im Extruder. Fehlender Geschmack, wegen der schnellen Produktion oder weniger wertvoller Rohstoffe können durch viele Tricks ausgeglichen werden.
Ein interessantes Produkt ist auch das Meterei. Gekochte, aufgeschnittene Eier werden viel zum Garnieren gebraucht. Daher ist es recht praktisch, die Eier getrennt nach Eigelb und Eiweiß im Extruder zu kochen und geschickt wieder zusammen zu fügen. Das Endprodukt sind meterlange Stangen, bei denen das Eigelb immer schön hübsch in der Mitte vom Eiweiß liegt. Es gibt beim Aufschneiden keine Abfälle.
Was geschieht mit den Nährstoffen?
Die Stärke aus stärkehaltigen Rohprodukten wird praktisch vollständig aufgeschlossen. Sie wird also leicht verdaulich. Es kommt zum Verkleistern und Quellen, teilweise auch zu ungewünschten Röstprozessen.
Über die Umwandlung von Eiweiß im Extruder ist wenig bekannt. Man weiß aber, dass einige wichtige Aminosäuren zerstört werden. Es wurde nachgewiesen, dass schädliche Enzyme in Leguminosen, wie etwa Trypsininhibitoren in der Sojabohne unschädlich gemacht werden. Die Veränderungen bei der Extrusion sind sehr vielseitig und können nur in sehr aufwändigen und teuren Verfahren untersucht werden. Darum gibt es auch noch nicht viele unabhängige Resultate.
Nährwertverluste werden zum Teil reduziert, weil die Verweildauer im Extruder nur sehr kurz ist und deswegen die Masse nur für kurze Zeit den hohen Temperaturen ausgesetzt ist. Die größten Nährwertverluste sind aber doch bei den Vitaminen zu suchen als Folge der hohen Hitze. Getreideprodukte versorgen uns mit den wichtigen Vitaminen der B-Gruppe und mit Folsäure. Je nach Verfahren kommt es zu Verlusten von 50 – 80%. Ernährungsexperten empfehlen, die Rohstoffe möglichst schonend zu behandeln. Was im Extruder abläuft, kann man sicher nicht als schonend bezeichnen. Darum werden die Frühstücksflocken im Nachhinein mit Vitaminen angereichert.
Extruderprodukte ja oder nein?
Extruderprodukte sind wohl nicht mehr wegzudenken aus unserer Ernährung. Besonders Kinder verlangen sie immer wieder. Sei es in Form von Snacks, Pausenriegeln, Süßwaren oder Frühstückscerealien. Wir tun aber gut daran, sie einzuschränken. Auf den Punkt gebracht ist es meist teuer verkaufte Luft. Aus billigen Rohstoffen werden teure Fertigprodukte hergestellt. Im Zweifel wird die Lebensmittelindustrie auf den Geschmack des Verbrauchers achten und weniger auf die wertvollen Inhaltsstoffe für eine gesunde Ernährung.
Stellen wir Extruderprodukte auf den Tisch, sollten wir sie unbedingt ergänzen mit frischem, unbehandeltem Obst und Gemüse, ergänzt mit Nüssen, Samen und konventionellen Getreideprodukten. Sie sind es, die unseren Körper mit wichtigen Stoffen für unsere Gesundheit versorgen.
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Esther Neumann studierte Ernährungswissenschaften auf der Universität Wien. Seitdem schrieb sie für viele Jahre für das Gesundheitsmagazin „Leben und Gesundheit“, und führte Gesundheitsvorträge in vielen Orten Österreichs durch.
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